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Kurzer Überblick über die Reserve und die Landwehr im Heer des deutschen Kaiserreiches (um 1890)

Die Verteidigungsstrategie des Deutschen Kaiserreiches war darauf ausgelegt, das die Bevölkerung im Kriegsfall bei der Landesverteidigung mithelfen sollte. Es bestand daher eine Wehrpflicht für die männliche Bevölkerung, welche sich im Wesentlichen in eine aktive Dienstpflicht und in eine passive Landsturmpflicht gliederte.

Die aktive Dienstpflicht erfolgte beim stehenden Heer oder der Marine. Auf ihn folgte der Dienst in der Landwehr 1. Aufgebots, danach der Dienst in der Landwehr 2. Aufgebots jnd schlussendlich der Landsturm. Die Reserve war noch Teil der aktiven Dienstpflicht, jedoch musste man die Zeit nicht mehr in der Kaserne verbringen.

In diesem Beitrag möchte ich aber nur auf die Reserve- und die Landwehr-Dienstpflicht eingehen, da es bei den beiden Bezeichnungen oft Verwirrung gibt, bzw. die Begriffe oft für Ein und Dasselbe gehalten werden. Für Sammler von Pickelhauben kann man aber schon einmal sagen das sich die Soldaten der Reserve und der Landwehr schon am Wappen des Helmes erkennen lassen: Denn während Mitglieder der Reserve das Landwehrkreuz im unteren Drittel des Wappens trugen (in Preussen unter dem „FR“), trugen Soldaten der Landwehr das Kreuz mittig (in Preussen anstelle des „FR“).


Die Reserve

Der aktive Dienst dauerte im Normalfall 7 Jahre und bestand aus einer 3-jährigen aktiven Ausbildung und einem 4-jährigen Reserve-Dienst. 

Es gab aber auch noch andere Möglichkeiten, wie die folgende Grafik von 1890 zeigt:

Der Beginn des Reservedienstes wurde vom gleichen Tag an wie der aktive Dienst gerechnet, auch wenn es in diesem eine Unterbrechungen gab. Auf den Reserve-Dienstes folgte dann der Landwehr-Dienst.

Die Mannschaften der Reserve gehörten zum „Beurlaubtenstand“, zu dem auch folgende Wehrmänner zählten:

  • Die Angehörigen der Reserve, der Landwehr I. und II. oder der Seewehr.
  • Alle vorläufig in die Heimat beurlaubten Rekruten.
  • Alle bis zur Entscheidung über ein ferneres Militärverhältnis zur Disposition der Ersatzbehörden entlassenen Mannschaften.
  • Alle zur Disposition stehenden Truppenteile oder vorläufig beurlaubte Mannschaften (sog. Dispositions- oder Königs-Urlauber).

Fertig ausgebildete Wehrmänner mit guter Führung konnten vorläufig entlassen werden, jedoch bis zum Ablauf des 3. Dienstjahres jederzeit wieder einberufen werden.

Die Pflichten der Reservisten waren unterschiedlich und hingen von ihren Rängen ab. Folgende Pflichten galten aber für jeden:

  • Im Dienst, oder wenn sie Uniform trugen, waren sie der militärischen Disziplin unterworfen.
  • Während der Reserve-Dienstzeit waren die Angehörigen zur Teilnahme an 2 Übungen von maximal 8 Wochen verpflichtet. Jede Einberufung galt dabei als eine Übung.

Art und Umfang der Übungen wurden alljährlich auf 2 Kontrollversammlungen bestimmt, welche im Frühling (April) und Herbst (November) stattfanden.

Während die Einberufungen für die Reservisten und sämtlichen Angehörigen des Beurlaubtenstandes durch den kommandierenden General erfolgten, wurden die Wehrmänner des Beurlaubtenstandes bei Anfragen zwecks notwendiger Verstärkung und bei Mobilmachung auf kaiserlichen Befehl einberufen.

Die Einberufung der Reservisten erfolgte nach Dienstalter in Jahresklassen. Sofern von militärischen Interesse wurde mit den jüngsten begonnen, doch man versuchte Rücksicht auf häusliche Bedingungen zu nehmen. Auch wegen einem Dienst an der Gesellschaft, wie z. B. Feuerwehr oder Geistlicher, konnte man sich zurückstellen lassen. Polizisten waren sogar von den Übungen befreit. Dies zeigt noch einmal deutlich wie sehr man im Kaiserreich bemüht war auf die Bevölkerung und auf soziale Aspekte einzugehen.

Nach 7 Jahren aktivem Dienst und Reserve erfolgte der Übergang zur Landwehr I., welcher auch auf den Kontrollversammlungen geregelt wurde.

Landwehr

Die Landwehr gliederte sich in die Landwehr 1. Aufgebots (Landwehr I.) und die Landwehr 2. Aufgebots (Landwehr II.).

In der 5-jährigen Dienstpflicht der Landwehr I. hatten die Landwehrmänner folgende Pflichten:

  • Wehrmänner der Landwehr I. konnten zu der Kontrollversammlungen im Frühling (April) einberufen werden.
  • Sie konnten zur Teilnahme an bis zu 2 Übungen von je 8-12 Wochen einberufen werden. Diese Regel galt jedoch nicht für die Landwehr-Kavallerie, sie wurde im Frieden nicht zu Übungen einberufen.
  • Sie benötigten die Erlaubnis für Auslandsaufenthalte und waren verpflichtet bei Mobilmachung  umgehend zurück zu kommen.

In der 7-jährigen Dienstzeit der Landwehr II., welche unmittelbar auf die Landwehr I. folgte, hatte man nahezu die gleichen Verpflichtungen wie in der Landwehr I., aufgrund des höheren Alters und den beruflichen Verpflichtungen gab es jedoch folgende Erleichterungen:

  • Wehrmänner der Landwehr II. durften im Frieden nicht zu Übungen oder Kontrollversammlungen herangezogen werden.
  • Sie benötigten, außer im Falle eines Krieges oder drohender Kriegsgefahr, keine Erlaubnis auszuwandern, sondern mussten dies nur der zuständigen Militärbehörde mitteilen.
  • Konnten sie eine Arbeit als Kaufmann oder Gewerbetreibender im Ausland nachweisen, so konnte der ihnen erteilte Urlaub bis zum Ende des Militärverhältnisses verlängert werden und die Verpflichtungen zur Rückkehr im Falle einer Mobilmachung konnten ausgesetzt werden.

Die Landwehr war in Bezirke eingeteilt, die im Wesentlichen den Aushebungsbezirken des stehenden Heeres glichen. Damit ergab sich eine gewollte Korrelation zwischen der Organisation des stehenden Heeres und der Landwehr. Man versprach sich davon einen stärkeren Zusammenhalt, sowie ein größeres Vertrauen zwischen Mannschaft und Offiziere und wegen der langjährigen Zusammenarbeit auch einen reibungsloseren Ablauf.

Der Wohnsitz des Wehrpflichtigen bestimmte auf diese Weise einmal die Zugehörigkeit zum Infanterie-Regiment, in dem er seine aktive Dienstzeit abzuleisten hatte, und zum Anderen die Zugehörigkeit zum Landwehr-Bataillon, dem er nach seiner aktiven Dienstzeit angehörte.

Die Landwehr-Bataillonsbezirke wurden vom Kaiser (respektive dem König von Bayern) bestimmt. Die Gebiete und der Umfang aller Landwehr-Battalionsbezirke wurden anhand der Einwohnerzahl so bemessen, das sie die Ersatz- und Vervollständigungs-Anforderungen des stehenden Heeres erfüllen konnten. Zu jedem Linien-Infanterie-Regiment gehörte ein Landwehr-Bezirk zu je 2 Batallionen.

Die Infanterie jedes Landwehr-Bataillonbezirks übte in Friedensstärken von 402 Mann. Im Kriegsfall konnte die Stärke auf 802 Mann erhöht werden. Wehrmänner der Jäger, Artillerie, Pioniere oder des Train wurden im Frieden in die betreffenden Abteilungen des Armeekorps-Bezirkes eingegliedert.

Wenn im Kriegsfall jeder Landwehr-Bataillonsbezirk ein Bataillon aufgestellt hatte, was von der Zahl der übriggebliebenen Mannschaften abhing, konnten einschließlich der Garde etwa 300 Landwehr-Bataillone formiert werden.

Die Infanterie-Regimenter konnten aufgrund der festen Landwehr-Stämme ihren notwendigen Ersatz aus den Landwehr-Bataillonsbezirken ziehen und so ihre Reihen vervollständigen. Für Übungen wurden sie als komplette Landwehr-Bataillone aufgestellt.

Angehörige der Spezial-Waffen, wie z. B. Pioniere, Jäger, Artillerie oder Train, konnten dies nicht. Sie hatten im Frieden keine festen Stämme und konnten ihre Ersatz-Mannschaften daher nur im Mobilmachungsfall nach Bedarf aus den betreffenden Landwehr-Armeekorps ziehen. Im Gegensatz zur Landwehr-Infanterie wurden die Landwehrmänner dieser Waffen zu Übungen auch direkt in die bestehenden Einheiten des aktiven Herres eingegliedert.

Die Kavallerie konnte ihre Ersatz im Frieden ebenfalls nicht aus der Landwehr-Bataillone ziehen. Wie bei den Spezial-Waffen war dies nur im Mobilmachungsfall nach Bedarf möglich. Die Angehörigen der Kavallerie mussten allerdings nicht an Reserve-Übungen teilnehmen.

Für die Garde, die sehr hohe Anforderungen an ihre Mannschaft hatte, wurden die Ergänzungs-Mannschaften aus dem gesamten Preußischen Staatsgebiet gezogen.

Die Kontrolle der Personen des Beurlaubenstandes unterlag dem Landwehr-Bezirkskommando, dem daher alle Designationen zum Mobilmachungsfall und diesbezügliche Änderungen umgehend mitzuteilen waren. Um im Mobilmachungsfall schnellst möglich handeln zu können, führte das Landwehr-Bezirkskommando gesonderte Eintragungen in den Ranglisten (Offiziere), Landwehr-Stammrollen (Mannschaften), Kontrolllisten (Ersatzreserve I.) und weitere Hilfslisten zur Kontrolle und besseren Übersicht der Einberufung. Das Landwehr-Bezirkskommando regelte zudem auch die Kontrollversammlungen und berief die Rekruten zur Reserve oder zum Landwehr-Dienstdienst ein, was im Kriegsfall auf kaiserlichen Befehl geschah.

Wegen dieser Zusammenhänge war die Vollständigkeit der Informationen rund um die Landwehr-Bataillonsbezirke äusserst wichtig, da dies auch die Erfassung der Landwehrpflichtigen beinhaltete. Auch die bei der Garde, der Kavallerie und bei den Spezial-Waffen ausgebildeten Mannschaften, die im Frieden keine Stämme hatten, mussten sich nach Beendigung ihrer aktiven Dienstzeit beim Landwehr-Bezirkskommando ihres Wohnortes melden und standen unter Kontrolle des Landwehr-Bezirkskommandos. Ungeachtet dessen wurden sie im Kriegsfall der Waffe zugeteilt, bei der sie auch ausgebildet wurden.

Für die Landwehr-Bataillone wurden Uniformen und Ausrüstungsgegenstände meist in Friedensstärke bei den Bekleidungsdepots vorrätig gehalten. Sekundärbedarf, wie z. B. Signalhörner oder Pauken, wurden jedoch nur im Mobilmachungsfall gekauft.

Nur für die 9 Garde-Landwehr-Regimenter und für das badische Grenadier-Landwehr-Regiment Nr. 109 gab es bezüglich der Ausrüstung Sonderregeln. Da für die Garde-Landwehr-Battalione ebenfalls keine festen Stämme existierten, wurden jedem Garde-Regiment die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände für je 2 Garde-Landwehr-Bataillone übergeben. Diese mussten in den Garnisionen deponiert werden, da eine evtl. Formation wie bei den Spezial-Waffen direkt in den Garnisionen der Regimenter erfolgte (siehe folgende AKO vom 1. März 1872). 


Landsturm

war die Bezeichnung für das letzte Aufgebot aller nicht im Heer oder der Marine dienenden Waffen. Sie trat in der Regel nur zusammen wenn ein feindliche Einfall das Landesgebiet bedrohte und war das letzte Aufgebot.

Laut Gesetz über den Landsturm vom 12. Februar 1875 bestand der Landsturm aus allen wehrpflichtigen Männern vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 42. Lebensjahr, welche weder dem Heer oder der Marine angehörten. Der Landsturm wurde nur durch kaiserliche Verordnung, in welcher zugleich der Umfang des Aufgebots bestimmt wurde, einberufen. Das Aufgebot konnte sich auch auf die verfügbaren Teile der Ersatz-Reserve erstrecken.

Wehrfähige deutsche, welche nicht zum Dienst im Heer verpflichtet waren, konnten freiwillig in den Landsturm eintreten. Nachdem das Aufgebot ergangen war, waren die davon betroffenen Landsturmpflichtigen den geltenden Vorschriften der Landwehr unterworfen. Insbesondere waren die aufgeboten Mannschaften den Militär-Strafgesetzen und der Disziplinarordnung unterworfen. Das selbe galt für die Freiwilligen.

Der Landsturm erhielt auf Schussweite erkennbare militärische Abzeichen und wurde in der Regel in besonderen Abteilung formiert. In besonderen Fällen konnten Truppen der Landwehr aus den Reihen des Landsturms ersetzt werden. Jedoch nur dann, wenn bereits sämtliche Jahrgänge der Landwehr und der Ersatzreserve einberufen worden waren. Die Einstellung erfolgt nach Jahresklassen, beginnend mit den jüngsten, soweit die militärischen Interessen dies erlaubten. Wenn der Landsturm nicht aufgeboten wurde, durften die Landsturmpflichtigen keinerlei militärischer Kontrolle oder Übung unterworfen werden.

Die Auflösung des Landsturms wurde wieder vom Kaiser angeordnet, womit das Militärverhältnis der Landsturmpflichtigen aufhörte.

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